Donnerstag, 21. Oktober 2010

ICHI - Die blinde Schwertkämpferin (Japan / 2008)

Orig-Titel: Ichi

Wie viele Western kommen pro Jahr in Amerika auf den Markt? Wie viele Sandalenfilme in Italien? Die Zahl ist verschwindend gering bis gar nicht vorhanden, was wohl in der Annahme begründet liegt man könne damit kein Geld mehr verdienen.
Der Tradition historischer Filme folgen die Japaner hingegen heute noch und ich glaube nicht, dass sie damit nicht erfolgreich sind. Schließlich lässt sich in die alte Umgebung jede Art von Story setzen. Und kostet es so viel? Sicher nicht. Ich weiß nicht wie viel ICHI letztlich gekostet hat, doch soviel wie die Amis für einen zweitklassigen Hollywood Blockbuster verpulvern war’s unter Garantie nicht. Und am Ende herausgekommen ist ohnehin etwas viel sehenswerteres und tiefsinnigeres.

Auf viele macht die blinde Ichi den Eindruck einer armen, etwas verwahrlosten jungen Wandermusikantin auf der Suche nach einem blinden Schwertkämpfer. Doch wehe dem, der ihr zu nahe tritt oder in ihrer Gegenwart die Schwachen peinigt. Dann zieht sie ihre im Blindenstock versteckte Klinge.
Auf ihrer Suche begegnet Ichi nun einem traumatisierten Samurai, der sein Schwert nicht ziehen kann. Gemeinsam reisen sie weiter und geraten zwischen die Fronten zweier sich bekriegender Banden…

Wie gesagt, alle Jahre wieder erheben sich in Japan die traditionellen Samuraifilme. Eine schöne Tradition die ich stets begrüße, bieten diese Filme doch soviel. In einer Zeit, wo ein Menschenleben nichts zählte, waren tiefer gehende Gedanken am Werk. Man spürte mehr, sah mehr, lebte auf eine Art bewusster und intensiver. Denn das Leben konnte in der nächsten Minute vorbei sein und war es oft auch. Ich denke, die tiefsinnigere herangehensweise an die Dinge des Lebens ist den Japanern bis heute zu Eigen. Vielleicht mehr wie in anderen Kulturen. Vielleicht messe ich dem auch zuviel Bedeutung bei. Doch schaue ich auf die vielen Filme, die sich in optischer und inhaltlicher Sicht so beeindruckend geben, eröffnet sich dieser Eindruck. Hinzu kommt, in japanischen Filmen wird einem nicht alles vorgekaut. Man soll sich seine eigenen Gedanken machen, die Zusammenhänge erkennen und die Hintergedanken sehen die den Regisseur und Drehbuchautor verfolgten. Auch darin sehe ich Tiefsinnigkeit. Es ist eine Herausforderung der ich mich immer wieder gern aussetze. Ich mag es mich mit einem Thema auseinanderzusetzen, besonders wenn es tiefer geht.

ICHI ist ein Schwertkampffilm, ein Chanbara, wie es heißt. Er folgt der Tradition der ZATOICHI Filme. Und schließlich liegt ihm ja auch die Geschichte von Kan Shimosawa zugrunde. Daraus ein passendes Drehbuch hat Taeko Asano verfasst, wobei aus dem Schwertkämpfer eine Frau wurde, die ihren ganz eigenen Weg zu gehen und ihren ganz eigenen Kampf zu kämpfen hat. Schon allein das stellt eine Abkehr vom Althergebrachten Stoff her. Es wird filmisch also ein weiterer neuer Weg eingeschlagen. Der erste war 2003 mit Takeshi Kitanos Interpretation. Der Meisterregisseur kam mit ausgefallenen Elementen und einer recht eigenen Inszenierung. Ganz so schlimm (naja schlimm war’s ja nicht) ist es bei Fumihiko Soris Film nicht. Das Element Frau als Schwertkämpfer ist wohl die stärkste Änderung. Der Rest ein etwas anderer Stil, der sich in der Musik vielleicht am deutlichsten zeigt. Wen der Score nämlich an GLADIATOR erinnert, der liegt vollkommen richtig. Lisa Gerrard ist für die Klänge verantwortlich die mit Hans Zimmer auch an Ridley Scotts Werk arbeitete. Regisseur Sori brachte sie bewusst ins Spiel, eben weil ihm der Score so gut gefiel und er meinte es passt für ICHI sehr gut. So komponierte Lisa Gerrard Melodien, die ihren eigenen Klang haben, mit denen von GLADIATOR aber durchaus Ähnlichkeit besitzen. Mit seiner Vermutung hatte Sori jedenfalls recht, denn es passt wirklich sehr gut. Diese Musik darf nun sehr emotionalen Szenen noch mehr Tragweite geben und mit ihrer melancholischen Art herrliche Naturaufnahmen noch schöner und einprägsamer gestalten. Aber auch ohne diese Klänge blieben die Bilder im Kopf haften. Ein sehr schöner Look und sehr gelungene Einstellungen und Bildkompositionen, sei es nun am Tage, zur Dämmerung, oder in der Nacht. Die Ausleuchtung in den dunklen Passagen ist zudem stimmig und die Farbgebungen kann ich nur als gelungen bezeichnen. Ich mag Kontraste und von denen gibt es einiges. Aber so, dass es nicht unnatürlich wirkt.
Das so etwas nicht immer mit normalen Mitteln erreicht wird, sondern in der heutigen Zeit der Computer mehr und mehr hinzugezogen wird, erfährt der Interessent durch ein interessantes Feature auf der DVD von Rapid Eye. Viele Einstellungen wurden bearbeitet. Man hob Farben an, machte aus Sommer- Winterlandschaften, fügte Staub hinzu, retuschierte Stromleitungen weg und vergrößerte begrenzte Aussensets. Eine weitere Sache ist CGI-Blut. Wenn ich das jetzt schreibe, werden sicher einige Stöhnen. Doch so schlimm wie man vermutet ist es gar nicht. Viele amerikanische Produktionen sind das wesentlich oberflächlicher und ist dieses Blut dort wesentlich deutlicher erkennbar. In ICHI haben sich die Effektsleute große mehr Mühe gegeben und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Zudem finde ich es Stilisch. Es passt gut zum Kontext des gesamten Filmes. Und wem fallen schon all die anderen Veränderungen bei den Kampfszenen auf? In der Hinsicht wurde sehr gut gearbeitet.
Das letzte Quennchen, zum Gelingen oblag nun den Schauspielern. Von denen konnte ich Haruka Ayase (Ichi) nicht zuordnen, obschon mir ihr Gesicht gekannt vorkommt. Vielleicht sah ich sie ja im Trailer zu SAMURAI COMMANDO: MISSION 1549, dem Remake von G.I. SAMURAI mit Sonny Chiba. Als Schwertkämpferin macht sie jedenfalls eine gute Figur. Die Fights nimmt man ihr ab und das Minenspiel geht, trotz etwas zu starkem Minimalismus, auch in Ordnung. Gut getroffen. Gut besetzt. Noch etwas besser ist jedoch bei Takao Osawa als traumatisierten Samurai Toma. In vielen namhaften Produktionen ist der Schauspieler vertreten, die auch ihren Weg nach Deutschland fanden. Filme wie ARAGAMI, SKY HIGH, oder INTO THE SUN. Und auch wenn letzterer nur ein drittklassiger B-Movie mit Steven Seagal ist, Takao Osawa macht darin eine gute Figur. In ICHI nimmt man ihm den Part unbesehen ab. Das schafft Riki Takeuchi ebenfalls mit Bravour. Und wofür eignet der sich besser? Richtig… für den bösen Gangster, einen Anführer der Banki Bande. Dem Yakuza Film Kenner braucht man Takeuchi weiß Gott nicht vorstellen schließlich hat er in schier unzähligen Filmen den miesen Typen gespielt und scheint dank seines Gesichtes prädestiniert für diese Rolle. Zu größtem Ruhm gelangte er bei zahlreichen Produktionen von Meister Takashi Miike.
Weitere bekannte Gesichter wären dann noch Gangster Oberhaupt Banki, gespielt von Shido Nakamura (Ryuuki in DEATH NOTE, Anno Tanaka in FEARLESS, Lieutenant Ito in LETTERS FROM IWO JIMA), Yosuke Kubozuka (SAMURAI RESURRECTION) als Sohn und Akira Emoto (GODZILLA VS. SPACEGODZILLA) als Oberhaupt der Shirakawa Familie.
Eine gute Darstellerriege und Regisseur Fumihiko Sori weiß sie gut einzusetzen und in den sehr beeindruckenden Bildern zu positionieren.

ICHI ist ein unterhaltsamer und gelungener Vertreter des Chanbara. Ein Film, dessen Geschichte auf den ersten Blick einfach erscheint, in Elementen aber weit tiefer geht, wenn man offen ist und erkennt was es zu erkennen gibt.
Bildgewaltig und mit einer guten Portion Action versehen, die sich jedoch nicht in den Vordergrund drängt. Die Geschichte ist wichtiger ebenso wie der visuelle Look.
Es hat Spaß gemacht wenn es auch nicht viel zu lachen gibt.
Der Kontext ist ernst, ruhig, besinnlich, melancholisch. Lasst die Bilder wirken, gebt euch der Stimmung hin, dann werdet ihr die optimale Wirkung erfahren.

Wertung: 8/10


Kurz zur DVD:

Die DVD von Rapid Eye ist zudem sehr gelungen.
Da bei einem japanischen Film nichts über den Genuss der wohlklingenden Originalsprache geht, sollte man ICHI auch im vorhandenen Originalton mit deutschen Untertiteln genießen. Die Subs sind sehr, sehr gut gelungen und lassen sich unheimlich flüssig lesen. Zudem sind es keine Phantasietexte, wie ich das kürzlich bei der RETURNER DVD bemerkt habe. Man hält sich an das tatsächlich gesprochene. So macht es wirklich Laune und gemeinsam mit der sehr gelungenen Bildqualität entfaltet sich die richtige Wirkung. Daneben bekommt der Filminteressent Informationen zu den Effekten und zur Musik, anhand zweier Behind the Scenes Featurettes. Dann wäre da noch der Kinotrailer und ein Feature was ich stets für überflüssig halte, nämlich geschnittene Szenen. Geschnittene Szenen geben mir persönlich nichts. Der Regisseur hat sie aus gutem Grunde herausgenommen, warum sich das dann noch ansehen. In den seltensten Fällen fand ich solche Szenen bisher interessant und aufschlussreich. Mir bringt es nichts, doch scheint das bei vielen anderen ganz anders zu sein. Schließlich finden sich Deleted Scenes auf so vielen Scheiben unter den Extras.
Alles in allem eine sehr gelungene DVD, die über das Upscaling (oder wie das heißt) des Blu-Ray Player sicherlich auch der Blu-Ray nahe kommt. Ich war jedenfalls sehr beeindruckt.
Ein guter Film auf einer guten DVD. Was will man mehr. OK, vielleicht doch noch eine Doku zur Entstehung des Filmes und einen untertitelten Audiokommentar.

Wertung: 7,5/10

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Portrait of Hell (Japan / 1969)

Orig-Titel: 地獄変 Jigoku-hen

So langsam muss ich wieder einmal etwas schreiben, sonst verlerne ich es noch in die Tasten zu hauen. PORTRAIT OF HELL gibt dazu einen kleinen Anlass, ist der Streifen doch wirklich gut gelungen und endet mit den Worten, „Das Leben ist oft mehr Hölle, als die Hölle selbst“. Diese Zeilen sind Programm und stammen von Drehbuchautor Ryunosuke Akutagawa, der sich auch für das Drehbuch zu RASHOMON verantwortlich zeichnet.

Koreaner in Japan. Eine Gruppe gefangen genommener fristet hier ihr trauriges Dasein. Sie sind Außenseiter, doch macht sich der hiesige Landesherr Lord Hosokawa ihre Fähigkeiten zu Nutze. Besonders die von Yoshihide, einem begabten Maler. Die Grausamkeit des Herrschers lässt dessen Bilder aber immer mehr zu Zerrbildern des Schreckens werden. Erst recht, als ihm die geliebte Tochter genommen wird. Als Konkubine soll sie Hosokawa dienen. Für den Vater eine fast unerträgliche Sache. Verzweifelt versucht er sie zurückzubekommen. Vergebens. Damit ist alles Fröhliche in seinem Leben gestorben. Und weil er nun keine liebevollen und angenehmen Bilder mehr zustande bringt, verlangt der Fürst eines, das die Schrecken der Hölle zeigt. So stürzt sich Yoshihide in die Arbeit, mit einem finsteren Plan im Kopf…

Ich kenne RASHOMON und halte ihn für einen der besten japanischen Filme, die ich in den letzten Jahren sehen durfte. Er hat eine so herrliche und vor allem einfache Geschichte. Er reißt mit und das nicht allein durch Akira Kurosawas meisterhafte Regie. Ryunosuke Akutagawas Drehbuch ist die Basis und wie oben schon erwähnt, verfasste der das Drehbuch zu PORTRAIT OF HELL. Und ebenso wie bei RAHSOMON ist es ein gutes Drehbuch, das Regisseur Shiro Toyoda da verfilmen durfte. Mit seinem Namen konnte ich überhaupt nichts anfangen und auch der Blick in die Filmografie brachte keinen Aha Effekt. Egal. Er macht seine Sache hervorragend und inszeniert das Geschehen sehr ansprechend. Besonders die dafür genutzten Bildkompositionen beeindrucken. Zuweilen sind sie selbst wie Gemälde. Genau getimt. Genau konstruiert. Perfekt ausgeleuchtet.
Dass sich das Geschehen hauptsächlich auf Sets der Toho abspielt, stört dabei nicht im Geringsten, sondern verleiht dem Ganzen nur noch mehr künstlerisches Flair. Maler, Bilder. Darauf ist es ausgerichtet.
Dass eine solche Horrorgeschichte, die den Bereich des Realismus zu verlassen scheint, die nötigen Effekte braucht um visuell noch fesselnder zu werden, versteht sich von selbst. Dazu wird auf Überblendungen, Modellbauten und Seiltricks zurückgegriffen. Recht einfach gehalten, doch sehr effektiv und für Freunde klassischer Streifen ein absoluter Hochgenuss. Diese optischen Leckerbissen (wie ich sie mal nennen möchte) bestimmen nicht das Geschehen, sondern bleiben stets im Kontext der Geschichte haften. Sie verkommen nicht zum Selbstzweck. Das richtige Maß ist ja entscheidend.
In diesen beeindruckenden Bildern müssen sich die Darsteller dann gut anstrengen, um nicht unterzugehen. Aber da braucht man keine Sorge haben, denn Tatsuya Nakadai ist zugegen und verkörpert Maler Yoshihide. Er dürfte aus Akira Kurosawas KAGEMUSHA bestens bekannt sein, wo Nakadai ja eine Doppelrolle spielt und mehr als zu überzeugen versteht. Er beeindruckt durch hervorragendes Spiel und bleibt sicherlich jedem im Gedächtnis, der dieses Meisterwerk gesehen hat. In PORTRAIT OF HELL steht er meines Erachtens diesen Leistungen in kaum etwas nach. Auch hier ist sein Minenspiel überzeugend und seine Emotionen beeindruckend. Besonders im Zusammenspiel mit Kinnosuke Nakamura, dem Landesherren Hosokawa, kommt dies zum tragen. Nakamura dürfte vielen übrigens als Itto Ogami aus der Fernsehserie KOZURE OKAMI bekannt sein, die in Deutschland glaube ich sogar auf DVD erschienen ist. Und als drittes erwähnen möchte ich noch Yoko Naito, die den Part der geplagten Tochter Yoshika inne hat. Ihr Gesicht kam mir bekannt vor, doch so richtig einzuordnen wusste ich nicht. Erst der Blick in die Filmografie brachte es ans Licht. In SWORD OF DOOM – der vor einiger Zeit bei RapidEye auf DVD erschien – spielte sie eine wichtige Rolle. Optisch ist Yoko Naito überaus ansprechend und als Dieses eine wirkliche Bereicherung. Schauspielerisch Punkten, so richtig vermag sie das allerdings nicht (oder zu wenig). Aber das liegt einfach an ihrer zu geringen Screentime. Und dennoch, sie ist wichtig und unverzichtbar, um beim Zuschauer die entsprechenden Emotionsknöpfe zu drücken.
Abgerundet wird alles dann mit der Musik von Yasushi Akutagawa. Ansprechende Klänge, die das Geschehen passend zu untermalen verstehen und sich dabei nicht in den Vordergrund drängen. Im Stile der Zeit, etwas erinnernd an Hammer.

PORTRAIT OF HELL ist ein gelungener Horrorfilm aus Japan. Durch sein Entstehungsjahr 1969 und die vorwiegende Studioarbeit hat er für mich etwas von den britischen Hammer Filmen. Durch die wirklich beeindruckenden Bildkompositionen, die besondere Ausleuchtung der Szenen und die gebrachten Effekte, die besonderen optischen Reiz im herumschwirren von Feuerfunken und dem Fallen von Schnee haben, hat es dennoch seinen ganz eigenen Stil. Und nicht nur optisch ist der Film unterhaltsam. Die Geschichte ist gut und ansprechend inszeniert und die Darstellerriege, allen voran Tatsuya Nakadai, trägt das Ihrige bei.
Ich bin beeindruckt und wurde kurzweilig und angenehm unterhalten.

Wertung: 7,5/10


Kurz zur DVD:

Die amerikanische DVD von AnimEigo, die ich mir kaufen konnte, ist von der optischen Aufmachung her nur wenig ansprechend. Kein angenehmes Cover prangt auf der Hülle, sondern ein mehr schlecht als recht zusammengeschustertes Motiv. Hier hätte ich mir die Abbildung eines schönen alten Kinoposters gewünscht.
Die Qualität des aufgespielten Filmes lässt die anfängliche Enttäuschung jedoch schnell vergessen. Das Bild ist farbsatt, scharf und mit gutem Kontrast. Der Ton kommt mit klaren Stimmen und gutem Monoklang daher und die englischen Untertitel punkten durch gute Lesbarkeit, farbliche Unterschiede bei verschiedenen Sprechern und auch sonst aufwändige Produktion. So wurden sämtliche Namen des Vorspannes übersetzt und gibt es im oberen Bildbereich sogar kleine Erklärungen, wie sie sonst nur bei Fan-Subs zu finden sind.
Sieht man vom enttäuschenden Cover ab, bekommt der geneigte Interessent bei AnimEigo eine gelungene Scheibe, die sogar zwei Kinotrailer aufbieten kann, sowie Biografien zu Cast & Crew.

Wertung: 6,5/10