Sonntag, 29. August 2010

Die Entführung der U-Bahn Pelham 123 (USA / 2009)

Orig-Titel: The Taking of Pelham 123
Genre:
Thriller
Prod-Firma: Columbia Pictures, Metro-Goldwyn-Mayer Pictures
Laufzeit: ca. 106 Min. [NTSC], ca. 102 Min. [PAL]
Regie:
Tony Scott
Drehbuch:
Brian Helgeland
Roman: John Godey
Produzent: Todd Black, Jason Blumenthal, Tony Scott, Steve Tisch
Musik:
Harry Gregson-Williams
Kamera:
Tobias A. Schliessler
Schnitt:
Chris Lebenzon
Visuelle Effekte: Marc Varisco, Nathan McGuinness (Leitung)
Stunt Coordinator: Chuck Picerni Jr.
Darsteller: Denzel Washington (Walter Garber), John Travolta (Ryder), John Turturro (Camonetti), Luis Gutzmán (Phil Ramos), James Gandolfini (Mayor), Katherine Sigismund (Mom), Jake Richard Siciliano (8-jähriger Junge), Jason Butler Harner (Mr. Thomas), Michael Rispoli (John Johnson), Victor Gojcaj (Bashkim), Ramon Rodriguez (Delgado)
Budget: 100 Mio. US-Dollar (geschätzt)
Erstaufführung: 12. Jun 2009 (USA) / 24. Sep 2009 (Deutschland)


Wenn Tony Scott in letzter Zeit einen Film gedreht hat, war fast sicher, Denzel Washington hatte die Hauptrolle. Auch Bruder Ridley Scott nahm den erstklassigen Mimen jüngst für AMERICAN GANGSTER unter Vertrag und setzte damit auf’s richtige Pferd. Washington ist aber auch ein hervorragender Schauspieler und hat seine vielen Auszeichnungen zu Recht. Er versteht es eben wie kaum ein anderer seine Rolle mit Leben zu füllen und es glaubwürdig herüberzubringen. Mich wunderte also überhaupt nicht, seinen Namen zusammen mit dem Tony Scotts bei THE TAKING OF PELHAM 123 zu lesen.
Dabei handelt es sich um das Remake des gleichnamigen Filmes von 1974, wo sich Walter Matthau und Robert Shaw ein Fingernägel zehrendes Duell liefern. Mit dabei Hector Elizondo (CHICAGO HOPE), Martin Balsam (PSYHO), Earl Hindman (ST. IVES), Jerry Stiller, Nathan George und viele weitere Gesichter, die aus namhaften Filmen bekannt sein dürften. Joseph Sargents Thriller, mit so guter Besetzung, so gut funktionierender Geschichte und Inszenierung musste Tony Scott nun toppen, oder wenigstens gleich ziehen. Dabei setzt er das Geschehen in die Gegenwart und wandelt es nach aktueller Themenlage ab.

Es geht um eine Gruppe Gangster, die mitten am Tag den U-Bahn Zug Pelham 123 in ihre Gewalt bringen und in einem gut einsehbaren Tunnel anhalten. Über Funk teilen sie der Zentrale mit, dass sie Geiseln haben und fordern ein hohes Lösegeld. Bei den folgenden Verhandlungsgesprächen hat es Gangsterboss Ryder dann vor allem auf den Bahnangestellten Walter Garber abgesehen. Er zieht ihn in ein gefährliches Psychoduell, das schnell ausarten und Opfer fordern kann. Denn Ryder ist unberechenbar. Doch Walter Garber sitzt normal einige Stufen höher, ist zum Funktdienst nur strafversetzt. Der bösartige Gangsterboss hat somit einen würdigeren Gegner, als er Anfangs annimmt. Eine unkalkulierbare Variable, in seiner doch so gut aufgesetzten Rechnung.

Da ich das Original noch nicht kenne, kann ich keine Vergleiche ziehen wo nun der eine oder andere besser abschneidet. Vielleicht war das für den Genuss gar nicht mal schlecht, ging ich doch unbefangen heran und konnte Tony Scotts Werk besser schauen. Würde ich Joseph Sargents Streifen kennen, ich könnte es während dem Remake nie ausblenden.
Was mir jedoch möglich ist, DIE ENTFÜHRUNG DER U-BAHN PELHAM 123 von seiner filmischen Qualität her betrachten.
Die entfaltende Story ist schon einmal zeitgemäß und an einem aktuellen Thema ausgerichtet. John Travolta übernimmt die Rolle des Bösewichtes (also die von Robert Shaw), wie sich auf dem Poster unschwer erkennen lässt. Er und Washington treten als würdige Gegner auf, auch wenn Travolta vielleicht nicht ganz die Klasse besitzt. Die Rolle des Bösewichtes steht ihm dennoch gut. Das fand ich schon bei John Woos OPERATION BROKEN ARROW. Gut, die Ausraster sorgen zwar für die rechte Stimmung, aber trotz Ernsthaftigkeit auch für Erheiterung. Das liegt wohl daran, dass ich solche Filme schon zig mal gesehen habe und mir nichts Neues geboten wird. Alles eben schon einmal da gewesen. Man weiß wie sich die Täter verhalten, was die Opfer machen und wie die Guten aus dem Ganzen hervorgehen. Am Ende wird immer dem Recht zum Siege verholfen und alles ist wieder in Ordnung. Somit lag mein Fokus auf den Darstellern, wie sie spielen und wie die üblichen Ignoranten etabliert wurden, die bei solchen Geschichten die Sache stets schlimmer machen und dann von den Helden böse Blicke und Backpfeifen bekommen. Letzteres ist zwar nicht der Fall. An Pfeifen mangelt es dennoch nicht.
Denzel Washington ist ohne Wenn und Aber der Held, John Turturro der italienische Schmierlappen Camonetti (der Agent, mit Erfahrung), James Gandolfini der desillusionierte Bürgermeister von New York (kurz vor Ende der Dienstzeit). Jason Butler Harner das Wichei, das nicht pinkeln kann und Jake Richard Siciliano der 8-jährige Junge mit den Big Balls. John Travolta ist böser Bösewicht und Luis Gutzman der Gangster, der sich seiner Todesvorahnung nicht erwehren kann. Kurzum, viele lustige Gestalten tummeln sich. Und lustig sind auch die Klischees in die sie gepresst wurden. Wer dieses Remake ernst nimmt, ist selber schuld. Wer es ironisch betrachtet wird mächtigen Spaß haben. Besonders bei Ryders Angriffen auf Schmierlappen Camonetti musste ich lachen. Das macht Laune und beschert dem amerikanischen Fernsehzuschauer sicher viele „Pieps“. Vielleicht wird auch nur einen durchgehenden Ton zu hören sein, denn an Kraftausdrücken kommt einiges.
Warum die Gangster bei allem Zielen auf den Kopf dann doch immer wieder in die Brust ihrer Opfer schießen, ist mir ein Rätsel. Liegt aber sicher bei den Effektemachern, die ihre Bloodpaks dort eben besser verbergen können, als an der Stirn. Und wer lässt sich schon gern mit der Luftpistole an die Ürbse ballern.
Man könnte ja den Computer bemühen. Angenehmerweise setzt Tony Scott in diesen Szenen auf Handarbeit. Das gefällt besonders am Schluss. Peckinpah lässt grüßen.
Ansonsten wird Freund PC gut genutzt. Es fällt aber wohl den wenigsten auf. So muss es sein. Dezent.
Absolute klasse finde ich zudem den Vorspann, wo die Schrift auf besondere Art ins Bild kommt. Erinnert an Hitchcock (DER UNSICHTBARE DRITTE).
Von Szenenausleuchtung und Bildgestaltung bin ich einmal mehr ohnehin angetan.
Heutzutage ist das Licht ja so unterschiedlich und vollkommen anders wie damals. Neonröhrenschein bestimmt das Geschehen und schafft ein plastisches Leuchten. Die dabei gesetzten Farbkontraste gefallen mir. Dunkle Rot-, Grün- und Blautöne dominieren in den U-Bahn Tunneln. In der Einsatzzentrale geht es dementsprechend leuchtender und heller zu und mischt sich weiß und leuchtend Orange hinein. Eine gelungene Kombination.
Die Szenenwechsel sind fließend. Man arbeitet nicht mehr mit Überblendungen, sondern schiebt das eine Bild zur Seite und verschmilzt es mit dem hineinkommenden. Die Kameraführung ist unterschiedlich. In hektischen Szenen und um die Action zu unterstreichen, wird zur Wackelkamera gegriffen. In ruhigen Passagen kommt eine etwas Festere zum Einsatz. Wirklich ruhig steht das Bild glaube ich nie. Von strikt postierten Einstellungen scheint man sich immer mehr zu entfernen. Hier passt das ganz gut.
Zu guterletzt noch die Musik, die Harry Gregson-Williams beisteuerte, beinah schon Stammkomponist für Tony Scott. Ob nun für SHREK, ein METAL GEAR SOLID Game, oder DIE CHRONIKEN VON NARNIA. Harry Gregson-Williams ist vielseitig und schafft es immer wieder auf’s Neue einen ansprechenden Score zu kreieren. Dabei ist er nicht aufdringlich, sondern handelt im Sinne der Spannungs- und Atmosphäreunterstreichung. So im Gedächtnis haften, wie Hans Zimmer, Jerry Goldsmith, Ennio Morricone usw. bleibt er vielleicht nicht. Sich nicht in den Vordergrund zu spielen will hingegen auch gelernt sein. Der Score zu PELHAM 123 hält sich zurück, es fehlt ihm aber nicht an der entsprechenden Wirkung.

Tony Scott ist letztlich ein unterhaltsamer Film gelungen, dem es am Besonderen fehlt. Alles schon einmal da gewesen. Nichts Neues zu sehen. Aber die Schauspieler sind gut, die Story solide und auch von der Umsetzung und der optischen Gestaltung, kann man zufrieden sein. PELHAM 123 sollte keineswegs ernst genommen werden, sonst geht der Spaß schnell flöten. Einfach berieseln lassen und sich über die Klischees freuen.
Mit seinem Remake wird Scott dem Original somit sicher nicht gefährlich. Unterhaltsam fand ich es dennoch.

Wertung: 7,5/10